Pressemitteilung

60 Jahre Landesverfassung - 6 Monate Landesverfassungsbeschwerde

Eberhard Stilz, Präsident des Staatsgerichtshofs für das Land Baden-Württemberg

Der Präsident des Staatsgerichtshofs, Eberhard Stilz, zieht anlässlich des 60jährigen Jubiläums der Landesverfassung Bilanz über die zum 1. April 2013 neu eingeführte Landesverfassungsbeschwerde.

Am 11. November 2013 wird die Landesverfassung 60 Jahre alt. Dieses Jubiläum hat der Präsident des Staatsgerichtshofs Baden-Württemberg, Eberhard Stilz, zum Anlass genommen, über die bisherigen Erfahrungen mit der zum 1. April 2013 neu eingeführten Landesverfassungsbeschwerde zu berichten.

„Durch diesen speziell dem Schutz der Landesgrundrechte dienenden Rechtsbehelf wurde der Grundrechtsschutz in Baden-Württemberg wesentlich verbessert“, so Stilz. Damit folge Baden-Württemberg nicht nur dem Vorbild vieler Bundesländer, sondern nehme teil an einer europaweiten und internationalen Entwicklung, wonach die Verfassungsbeschwerde zunehmend als unverzichtbarer Bestandteil des effektiven Grundrechtsschutzes angesehen werde. „Der bisherige Verzicht auf eine Landesverfassungsbeschwerde in Baden-Württemberg ist historisch zu erklären“, führte Stilz aus. Bei Inkrafttreten der Landesverfassung habe die Verfassungsbeschwerde eine neue Verfahrensart dargestellt, die auch auf Bundesebene umstritten gewesen sei. Das Bundesverfassungsgericht habe allerdings zwischenzeitlich die Stellung der Landesgrundrechte und der Verfassungsgerichtsbarkeit auf Länderebene gestärkt. Durch die Föderalismusref orm im Jahr 2006 seien den Ländern außerdem neue Gesetzgebungskompetenzen zugewiesen worden, die auch grundrechtssensible Bereiche beträfen, wie etwa im Bereich des Gaststättenrechts, des Ladenschlussrechts, des Versammlungsrechts und des Rechts der Spielhallen. „Gerade zum Landesglücksspielgesetz vom 20. November 2012 liegen uns auch bereits mehrere Verfassungsbeschwerden vor, über die voraussichtlich Anfang des nächsten Jahres mündlich verhandelt werden wird“, berichtete Stilz.

Der Mehrwert der Landesverfassungsbeschwerde liege vor allem darin, dass die Landesverfassung weitergehende und andersartige Rechte als das Grundgesetz kenne, etwa im Hochschul-, Bildungs- oder Erziehungsbereich. Außerdem sei durch die nun mögliche, auf die Wahlrechtsgrundsätze der Landesverfassung (Art. 26 Abs. 4 LV) gestützte Landesverfassungsbeschwerde gegen Normen des Wahlrechts eine Rechtsschutzlücke geschlossen worden.

„Die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde werden leider häufig verkannt“, stellte Präsident Stilz fest. Dies sei zum einen dadurch begründet, dass der Staatsgerichtshof Hoheitsakte des Landes, bei spielsweise gerichtliche Entscheidungen, nicht in vollem Umfang auf deren Richtigkeit überprüfen könne und daher auch nicht als weitere Instanz angesehen werden dürfe. Zuständig sei der Staatsgerichtshof vielmehr nur dann, wenn die Verletzung eines von der Landesverfassung garantierten Rechts in Frage stehe und zuvor alle zur Verfügung stehenden Rechtsmittel erfolglos geblieben seien. „Auch die Frist von einem Monat zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde darf nicht versäumt werden“, so Stilz. „An diesen strengen gesetzlichen Voraussetzungen liegt es, dass - wie auch bei allen sonstigen Landesverfassungsgerichten und beim Bundesverfassungsgericht - eine Vielzahl von Beschwerden bereits an der Zulässigkeit scheitert“. Um diese Hürde zu umgehen, empfehle es sich daher, sich vor Einlegung einer Verfassungsbeschwerde über deren Besonderheiten zu informieren und gegebenenfalls Rechtsrat einzuholen.

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