Pressemitteilung

Mündliche Verhandlung des Staatsgerichtshofs

Der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg verhandelt am

Montag, den 9. März 2009, 10.00 Uhr
im Sitzungssaal 1 des Oberlandesgerichts Stuttgart
Olgastr. 2, 70182 Stuttgart


unter dem Vorsitz des Präsidenten des Staatsgerichtshofs Eberhard Stilz über ein von 3 Abgeordneten der Fraktion der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg angestrengtes Organstreitverfahren.

Die Antragsteller wenden sich mit ihren Anträgen gegen Regelungen über die Bezahlung der Abgeordneten. Sie sehen sich durch den Landtag, den Antragsgegner, in ihren Rechten verletzt.

Die Leistungen an die Abgeordneten sind im Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtags (Abgeordnetengesetz) geregelt. Danach erhalten die Abgeordneten eine monatliche Entschädigung in Höhe von derzeit 4.991 €, der Präsident des Landtags erhält das Zweifache, seine Stellvertreter das
Eineinhalbfache dieses Betrags. Hinzu kommt eine Aufwandsentschädigung, die sich aus einer Unkostenpauschale (für allgemeine Unkosten) in Höhe von 966 €, einer Tagegeldpauschale (für Mehraufwendungen am Sitz des Landtags und bei Reisen) in Höhe von 358 bzw. 415 € und einer   nach dem Wohnsitz gestaffelten   Reisekostenpauschale (Kosten für Fahrten in Ausübung des Mandats) in Höhe von 336 bis 842 € zusammensetzt. Die Entschädigung wird jeweils zum 1. Juli eines Jahres an die Einkommensentwicklung in Baden-Württemberg im vorangegangenen Jahr angepasst; die Anpassung richtet sich nach einer Messzahl, in die die Bruttoverdienste der privaten Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes einfließen. Die Kostenpauschale wird in entsprechender Weise an die Preisentwicklung in den betreffenden Bereichen angepasst. Die Kostenpauschale ist nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei; eines Einzelnachweises der mandatsbedingten Aufwendungen bedarf es nicht.

Neben diesen Leistungen stehen Zahlungen, die die Fraktionen einzelnen Mitgliedern gewähren. Diese Zahlungen beruhen auf einer Bestimmung des Gesetzes über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Landtag von Baden-Württemberg (Fraktionsgesetz). Danach ist die Zahlung einer besonderen, angemessenen Entschädigung an Mitglieder der Fraktion, denen besondere Funktionen übertragen werden, zulässig. Solche sogenannten Funktionszulagen erhalten neben den Fraktionsvorsitzenden zum Teil auch die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Arbeitskreisvorsitzende und parlamentarische Geschäftsführer. Die Funktionszulagen machten zwischen
5,18 % und 22,22 % der Gesamtausgaben der Fraktionen aus.

Die Antragsteller sind der Ansicht, dass die Praxis der Funktionszulagen gegen die Freiheit des Mandats und den Grundsatz der Gleichheit der Abgeordneten verstoße, die in Art. 27 und 40 der Landesverfassung garantiert seien. Sie verweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das zuletzt in einer Entscheidung aus dem Jahr 2000 festgestellt habe, dass die Gewährung einer zusätzlichen Entschädigung nur für das Parlamentspräsidium und die Fraktionsvorsitzenden zulässig sei. Zahlungen an einen weiteren Personenkreis brächten die Gefahr von Abgeordnetenlaufbahnen mit sich. Diese Grundsätze seien zu beachten, auch wenn sich der Landtag   anders als in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen   als Teilzeitparlament verstehe. An diese rechtlichen Vorgaben habe der Landtag seine Regelungen auch mit der im April 2008 verabschiedeten Parlamentsreform nicht angepasst, obwohl sich die Fraktionen in einer gemeinsamen Erklärung im Jahre 2007 zu einer verfassungskonformen Neuregelung bereit erklärt hätten.

Die Antragsteller wenden sich auch gegen die Indexierung der Diäten und Kostenpauschalen. Damit wird nach ihrer Auffassung die finanzielle Ausstattung der Abgeordneten in einem Verfahren festgesetzt, das sich der Kontrolle der Öffentlichkeit entziehe. Durch die automatische Erhöhung sei die Transparenz der Entschädigungshöhe nicht mehr gewährleistet. Auch hätten sie nicht mehr die Möglichkeit, die Entschädigung im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens mitzugestalten.

Schließlich machen die Antragsteller geltend, dass die Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung gegen elementare Grundsätze des deutschen Steuerrechts verstoße. Die Berufsgruppe der Abgeordneten werde einseitig privilegiert. Durch diese steuerrechtliche Behandlung sei es für den Bürger nur sehr schwer erkennbar und nachvollziehbar, wieviel ein Abgeordneter letztlich verdiene.


Aktenzeichen GR 1/08

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