Pressemitteilung

Staatsgerichtshof erklärt § 36 Abs. 1 Satz 3 LMedienG für mit der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vereinbar

Der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat am 24.01.2005 über einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle gegen § 36 Abs. 1 Satz 3 LMedienG verhandelt. Diese Vorschrift regelt die Verhältniswahl des Vorstands der Landesanstalt für Kommunikation nach dem Höchstzahlverfahren (d’Hondt) für den Fall, dass die nach § 36 Abs. 1 Satz 1 LMedienG erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags innerhalb eines Monats nach Ablauf der Amtszeit des bisherigen Vorstands nicht zu Stande gekommen ist.

In dem im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündeten Urteil hat der Staatsgerichtshof festgestellt, dass § 36 Abs. 1 Satz 3 LMedienG mit der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vereinbar ist.

44 Mitglieder des Landtags hatten beim Staatsgerichtshof beantragt, diese Bestimmung für mit der Verfassung des Landes Baden-Württemberg unvereinbar und nichtig zu erklären. Zur Begründung hatten die Antragsteller vorgetragen, die in § 36 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz LMedienG vorgesehene Verhältniswahl nach dem Höchstzahlverfahren (d´Hondt) räume der Landtagsmehrheit einen unmittelbaren und alleinigen Einfluss auf die Mehrheit des Vorstands der Landesanstalt für Kommunikation ein. Dies sei mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Staatsferne des Rundfunks nicht zu vereinbaren. Die bloße Existenz der Vorschrift entbinde die größte Fraktion von der Notwendigkeit, sich mit der parlamentarischen Minderheit über die Besetzung des Vorstands der Landesanstalt zu einigen. Denn die Mehrheit könne bei diesem Wahlverfahren davon ausgehen, den Vorsitzenden des Vorstands sowie zwei weitere Mitglieder des Vorstands der Landesanstalt bestimmen zu können.

Demgegenüber hat der Staatsgerichtshof die Verfassungsmäßigkeit von § 36 Abs. 1 Satz 3 LMedienG festgestellt.

Die Rundfunkfreiheit im Sinne von Art. 2 Abs. 1 LV i.V.m. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verlange eine gesetzliche Ordnung, die sicherstelle, dass der Rundfunk, d.h. Hörfunk und Fernsehen, die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnehme und wiedergebe, die in der Gesellschaft eine Rolle spielten. Die Rundfunkfreiheit diene der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung, und zwar in einem umfassenden, nicht auf bloße Berichterstattung oder die Vermittlung politischer Meinungen beschränkten Sinn. Zwar sei der Gesetzgeber Garant dieser Rundfunkfreiheit, indem er diese durch entsprechende Regelungen vor einer Instrumentalisierung durch Dritte schütze, andererseits könne auch das Parlament an einer Einflussnahme auf den Rundfunk interessiert sein, weil es selbst der öffentlichen Kontrolle auch durch den Rundfunk unterliege. Durch seine Wahl vermittle der Landtag dem Vorstand indes die demokratische Legitimation.

Zudem ergebe die Gesamtschau der Regelungen des Landesmediengesetzes, dass der mit der Besetzung des Vorstands der Landesanstalt durch den Landtag verbundene grundsätzlich zulässige Einfluss der Landtagsmehrheit auf den Vorstand der Landesanstalt und damit dessen Entscheidungen auf ein verfassungsrechtlich zulässiges Maß beschränkt sei.

Die in § 36 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz LMedienG vorgesehene Verhältniswahl stelle sicher, dass die Landtagsmehrheit nicht sämtliche Mitglieder des Vorstands der Landesanstalt bestimmen könne. Der Gesetzgeber habe eigens für die staatli-chen Aufgaben im Bereich des Rundfunks im Interesse der Reduzierung der Einflussmöglichkeiten anderer staatlicher Stellen auf die Rundfunkfreiheit mit der Landesanstalt für Kommunikation eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts geschaffen und dieser das Recht der Selbstverwaltung eingeräumt. Als Träger mittelbarer Staatsverwaltung unterstehe die Landesanstalt nicht der Fachaufsicht, sondern nur der Rechtsaufsicht. Ferner habe der Gesetzgeber durch besondere Bestimmungen die Unabhängigkeit des Vorstands gegenüber dem Landtag gestärkt. So seien die Mitglieder des Vorstands an Aufträge und Weisungen nicht gebunden, ferner könnten sie nur unter engen Voraussetzungen abberufen werden. Der mit der Verhältniswahl der Mitglieder des Vorstands der Landesanstalt verbundene mittelbare Einfluss der Landtagsmehrheit auf deren Entscheidungen sei dadurch weiter reduziert, dass der Gesetzgeber mit dem pluralistisch zusammengesetzten Medienrat ein weiteres Gremium geschaffen habe, dem unabhängig vom Vorstand eigene Befugnisse und Mitwirkungsrechte eingeräumt seien. Insbesondere bedürfe die Zuweisung einer Übertragungskapazität an einen privaten Rundfunkveranstalter der Zustimmung des Medienrats.

Dieses im Landesmediengesetz vorgeschriebene Zusammenwirken von Vorstand und Medienrat stelle auch den wesentlichen Unterschied zum Sächsischen Privatrundfunkgesetz dar, dessen Bestimmungen der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen teilweise als mit der Verfassung des Freistaates Sachsen unvereinbar angesehen habe. Der Gesetzgeber dürfe durch eine geeignete Gestaltung des Verfahrens sicherstellen, dass alsbald nach Beendigung einer Amtsperiode der neue Vorstand seine Arbeit aufnehmen könne, wenn eine Wahl mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtags (§ 36 Abs. 1 Satz 1 LMedienG) nicht zu Stande gekommen sei. Um so mehr sei das in § 36 Abs. 1 Satz 3 zweiter Halbsatz LMedienG geregelte Wahlverfahren, bei dem nur ein Wahlvorschlag eingereicht wird, unter dem Gesichtspunkt der Rundfunkfreiheit verfassungsrechtlich unbedenklich.
Der Staatsgerichtshof hat allerdings festgestellt, das Landesmediengesetz ver-pflichte sämtliche Fraktionen dazu, sich um die Besetzung des Vorstands nach § 36 Abs. 1 Satz 1 LMedienG zu bemühen und nicht von vornherein ein Wahlverfahren nach § 36 Abs. 1 Satz 3 erster Halbsatz LMedienG anzustreben. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers müssen der Wahl des Vorstands der Landesanstalt rechtzeitige, ernsthafte und von dem Ziel einer überparteilichen Einigung geprägte Bemühungen der Landtagsfraktionen um eine einvernehmliche Besetzung des Vorstands vorangehen, die sich an dem Prinzip der Bestenauslese orientieren.

Der Staatsgerichtshof habe aber im Verfahren der abstrakte Normenkontrolle nicht zu prüfen, ob sich die Fraktionen des Landtags im Einzelfall entsprechend dieser Vorgabe verhalten hätten.

Aktenzeichen GR 2/04

// //