Pressemitteilung

Wahlprüfungsbeschwerde von Wahlberechtigten aus Essingen (Ostalbkreis) zur Landtagswahl 2011 unbegründet

Der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat mit heute verkündetem Urteil eine Wahlprüfungsbeschwerde von drei Wahlberechtigten aus Essingen als unbegründet zurückgewiesen.

1. Die Beschwerdeführer haben mit ihrer am 8. Dezember 2011 bei dem Staatsgerichtshof eingegangenen Wahlprüfungsbeschwerde beantragt, die Landtagswahl vom 27. März 2011 in den Wahlkreisen 25 (Schwäbisch Gmünd) und 26 (Aalen) für ungültig zu erklären.

Zur Begründung haben die Beschwerdeführer vorgetragen, die Ziffern 19 und 20 des Gesetzes zur Änderung des Landeswahlgesetzes vom 19. Oktober 2009 verstießen gegen die Staatsstrukturentscheidung für eine repräsentative Demokratie. Beim Zuschnitt der Wahlkreise 25 und 26 habe der Gesetzgeber von dem ihm zustehenden Gestaltungsspielraum fehlerhaft Gebrauch gemacht, indem er die Gemeinde Essingen dem Wahlkreis 25 zugeschlagen habe. Diese Zuordnung sei systemwidrig. Die engen Verflechtungen der Gemeinde Essingen mit dem Raum Aalen seien unberücksichtigt geblieben. Die Identität zwischen Staatsvolk und Volksvertreter im Wahlkreis sei bei der Neuordnung nicht gewährleistet.
2. Der Staatsgerichtshof hat entschieden, dass die zur Überprüfung gestellten Bestimmungen des Landtagswahlgesetzes, die den Zuschnitt der Wahlkreise 25 und 26 regeln, nicht gegen die Landesverfassung verstoßen.

Die Zielsetzung des Gesetzgebers, Wahlkreise zu bilden, die von der Durchschnittsgröße grundsätzlich nicht mehr als plus/minus 15 v. H. abweichen, halte sich im Rahmen degesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Sie verstoße weder gegen das Repräsentationsprinzip (Art. 27 Abs. 3 Satz 1 LV) noch gegen das Demokratieprinzip (Art. 23 Abs. 1 LV). Der Gesetzgeber habe sein selbst gesetztes Ziel hinsichtlich der Angleichung der Wahlkreisgrößen erreicht. Abweichungen von über 25 v. H. (zuvor eine) sowie von 20 bis 25 v. H. (zuvor 11) gebe es nicht mehr und die 14 Überschreitungen der 15 v. H.-Grenze lägen überwiegend deutlich näher bei 15 v. H. als bei 20 v. H..

Die Neueinteilung der Wahlkreise 25 und 26 füge sich bruchlos in das vom Gesetzgeber verfolgte Gesamtkonzept ein. Sie sei aufgrund der vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien folgerichtig. Die vorrangig zu beachtenden Grundsätze für die Neuabgrenzung der Wahlkreise seien eingehalten.
 
Dass der Neuzuschnitt des Wahlkreises Aalen auf sachfremden Erwägungen der Parlamentsmehrheit beruhe, werde nicht geltend gemacht und sei auch nicht ersichtlich.
Eine Überschreitung der Grenzen des gesetzgeberischen Ermessens sei nicht erkennbar. Der Staatsgerichtshof prüfe nur, ob die konkrete vom Gesetzgeber vorgenommene Einteilung den verfassungsrechtlichen Vorgaben tatsächlich entspricht. In diesem Zusammenhang wies der Staatsgerichtshof ausdrücklich darauf hin, dass er nicht befugt sei, anstelle des Gesetzgebers oder ihn korrigierend politisch zu gestalten.

Das in Art. 27 Abs. 3 Satz 1 LV zum Ausdruck kommende Repräsentationsprinzip werde ebenfalls nicht verletzt. Eine Bündelung des politischen Willens innerhalb des Wahlkreises Schwäbisch Gmünd, der wie der Wahlkreis Aalen zum Ostalbkreis gehöre, sei durch den Wahlkreisabgeordneten ungeachtet des Umstands möglich, dass die Interessen der in dem neu zugeschnittenen Wahlkreis zusammengefassten Bürger wegen einer Trennung organisch zusammenhängender Bevölkerungsgruppen stärker auseinanderlaufen könnten. Durch den Neuzuschnitt werde die verfassungsrechtliche Höchstgrenze für Abweichungen von der durchschnittlichen Wahlkreisgröße um mehr als 10 v. H. unterschritten. Dies gewährleiste, dass die Wahlkreiseinteilung von gewisser Dauer sei und damit auf lange Sicht auch dem Repräsentationsprinzip diene.

Schließlich verletze die Neuzuordnung der Gemeinde Essingen nicht das in Art. 23 Abs. 1 LV verankerte Demokratieprinzip. Für eine unzumutbare Erschwerung der Kommunikation sei nichts ersichtlich.

Aktenzeichen: GR 11/11
Urteil vom 22. Mai 2012

Verfassung des Landes Baden-Württemberg (LV) (Auszug)


Art. 23 Abs. 1 
Das Land Baden-Württemberg ist ein republikanischer, demokratischer und sozialer Rechtsstaat.

Art. 27 Abs. 3 Satz 1
Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. …

Artikel 31
(1) Die Wahlprüfung ist Sache des Landtags. Er entscheidet auch, ob ein Abgeordneter seinen Sitz im Landtag verloren hat.
(2) Die Entscheidungen können beim Staatsgerichtshof angefochten werden.
(3) Das Nähere bestimmt ein Gesetz.

Gesetz über den Staatsgerichtshof (StGHG) (Auszug)


§ 52
(1) Ein Beschluss des Landtags in Wahlprüfungssachen nach Art. 31 der Verfassung kann innerhalb eines Monats seit der Beschlussfassung des Landtags beim Staatsgerichtshof angefochten werden. Anfechtungsberechtigt sind:

b)
ein Wahlberechtigter oder eine Gruppe von Wahlberechtigten, deren Einspruch vom Landtag verworfen worden ist, wenn ihnen mindestens hundert Wahlberechtigte beitreten,