Pressemitteilung

Vorsitzender des Untersuchungsausschusses "Atomaufsicht in Baden-Württemberg" hat nicht gegen die Landesverfassung verstoßen

Der Staatsgerichtshof hat in seiner am 21. Oktober verkündeten Entscheidung festgestellt, dass der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses "Atomaufsicht in Baden-Württemberg" nicht dadurch gegen die Verfassung des Landes Baden - Württemberg verstoßen hat, dass er die Ladung von Bundesumweltminister Trittin vor der Bundestagswahl abgelehnt hat. Dadurch sei das in der Verfassung garantierte Beweiserzwingungsrecht der Minderheit nicht verletzt worden. Er habe das in dem Untersuchungsausschüssegesetz der Minderheit eingeräumte Sitzungserzwingungsrecht jedenfalls nicht willkürlich ausgelegt, auch wenn man gegen seine Interpretation dieses einfachen Gesetzes durchaus Zweifel geltend machen könne.

Der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat am 21. Oktober 2002 über die Anträge der Fraktion der SPD im 13. Landtag von Baden-Württemberg und der in den Untersuchungsausschuss "Atomaufsicht in Baden-Württemberg" des Landtages entsandten Vertreter der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90 / GRÜNE mündlich verhandelt. Diese hatten beantragt festzustellen, dass der Ausschussvorsitzende, der Abgeordnete Winfried Scheuermann (CDU), gegen Art. 35 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg verstoßen und die Antragsteller in der Wahrnehmung ihrer sich aus dieser Vorschrift ergebenden verfassungsmäßigen Rechte dadurch verletzt habe, dass er es abgelehnt hat, auf den Antrag der Ausschussminderheit vom 5. Juli 2002 binnen einer Woche eine Sondersitzung des Untersuchungsausschusses einzuberufen.

Der Untersuchungsausschuss "Atomaufsicht in Baden-Württemberg" des Landtags wurde auf Antrag der Mitglieder der SPD - Fraktion eingesetzt mit dem Auftrag, die möglichen Fehler der Atomaufsicht in Baden-Württemberg im Zusammenhang mit den meldepflichtigen Ereignissen und dem Fehlverhalten im Kernkraftwerk Philippsburg Werk 2 und die daraus zu ziehenden Konsequenzen zu untersuchen. Im Rahmen der für den 12. Juli beantragten Sondersitzung, deren Einberufung der Antragsgegner abgelehnt hat, sollten nach dem Willen der Ausschussmitglieder der SPD und Bündnis 90 / GRÜNE Bundesminister Trittin und andere Vertreter des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) als Zeugen vor dem Ausschuss gehört werden.

Der Staatsgerichtshof hat aufgrund der mündlichen Verhandlung entschieden, dass der sog. Organstreit gegen den Ausschussvorsitzenden zwar zulässig, der Antrag jedoch unbegründet und daher zurückzuweisen sei. Der Antragsgegner habe die antragstellende Ausschussminderheit nicht in ihrem Beweiserzwingungsrecht aus Art. 35 Abs. 2 S. 2 der Landesverfassung verletzt. Eine Aushöhlung dieses verfassungsmäßigen Rechts würde nach Auffassung des Gerichts nur vorliegen, wenn aufgrund der Nichteinberufung der Sondersitzung für den 12. Juli 2002 zu befürchten wäre, dass die Vernehmung der Zeugen aus dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit auf unabsehbare Zeit oder gar dauerhaft unterbleibt. Hiervon könne jedoch keine Rede sein, da die Beweisaufnahme ohne Gefährdung der Aufklärungsaufgabe des Ausschusses in einer späteren Sitzung erfolgen könne. Allein der Umstand, dass die Zeugen entgegen dem Willen der Antragsteller erst nach der Sommerpause des Ausschusses und damit erst nach dem Termin zur Bundestagswahl am 22. September 2002 gehört würden, verletze das verfassungsmäßige Recht der Ausschussminderheit auf angemessene Beteiligung an den Beweiserhebungen des Ausschusses nicht.

Auch die Begründung des Antragsgegners für die Nichteinberufung der Sondersitzung hält nach Auffassung des Staatsgerichtshofs einer verfassungsgerichtlichen Überprüfung stand, da sie jedenfalls nachvollziehbar sei und keine willkürlichen Erwägungen erkennen lasse. Ob die Begründung - wie die Antragsteller geltend machten - im Widerspruch stehe zu den einfach - gesetzlichen Bestimmungen des Untersuchungsausschüssegesetzes, ließ der Staatsgerichtshof dahinstehen, da er sich auf die Prüfung der Einhaltung der Landesverfassung zu beschränken und nicht die Anwendung einfacher Gesetze zu überprüfen hat.

AZ 11/02

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