Pressemitteilung

Staatsgerichtshof weist Feststellungsanträge von drei Abgeordneten des Landtags als unzulässig zurück

Der Staatsgerichtshof hat in seinem heute verkündeten Urteil die Anträge von drei Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg (Antragsteller) aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückgewiesen. Die Antragsteller haben vorgebracht, dass der Landtag (Antragsgegner) sie durch Regelungen über die Bezahlung der Abgeordneten in ihren Rechten verletzt habe.

Der Staatsgerichtshof hat entschieden, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen des von den Antragstellern angestrengten Organstreitverfahrens nicht gegeben waren.

Im Unterschied zu einem Normenkontrollverfahren gehe es im fristgebundenen Organstreitverfahren nicht an erster Stelle um die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm. Vielmehr müsse sich der Antrag gegen eine bestimmte Handlung oder Unterlassung des Antragsgegners richten. Dabei komme es nur darauf an, ob dieses Verhalten den Antragsteller in einer Rechtsposition verletze, die ihm gerade als Verfassungsorgan zustehe. Solche Rechtsverletzungen hätten die Antragsteller nicht bzw. nicht fristgerecht geltend gemacht.

Die Antragsteller könnten zwar grundsätzlich rügen, dass der Landtag es unterlassen habe, eine Regelung über die Entschädigung der Abgeordneten zu erlassen, die dem formalisierten Gleichheitssatz entspreche. Dieser Antrag sei jedoch verfristet. Denn ein Antrag müsse binnen sechs Monaten gestellt werden, nachdem die beanstandete Handlung oder Unterlassung dem Antragsteller bekannt geworden sei. Die Frist werde bei auch bei einem gesetzgeberischen Unterlassen spätestens dadurch in Lauf gesetzt, dass sich der Antragsgegner erkennbar weigere, in der Weise tätig zu werden, die der Antragsteller für erforderlich halte.

Entgegen der Ansicht der Antragsteller könne von einer solchen eindeutigen Weigerung des Antragsgegners nicht erst mit der Verabschiedung der Parlamentsreform ausgegangen werden. Vielmehr habe der Landtag bereits im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21.07.2000 unter maßgeblicher Beteiligung eines der Antragsteller über die Folgerungen diskutiert, die daraus für die Rechtslage im Land zu ziehen seien. Die Diskussion habe allerdings nicht zu dem Ergebnis geführt, das nach Ansicht der Antragsteller verfassungsrechtlich geboten sei. Nachdem der Landtagspräsident im Frühjahr 2003 eine Neuregelung der Funktionszulagen nochmals angemahnt hatte, sei das Scheitern der Bemühungen um eine solche Regelung jedenfalls mit dem Beschluss des Landtags vom 29.07.2004 offensichtlich geworden. Denn darin habe der Landtag seinen Willen bekundet, sich mit verschiedenen Teilaspekten der Abgeordnetenentschädigung nochmals zu befassen; die Frage der Funktionszulagen sei aber nicht erwähnt worden. Damit habe der Antragsgegner deutlich gemacht, dass er   jedenfalls in absehbarer Zeit   nicht bereit sei, den von den Antragstellern für verfassungsrechtlich geboten gehaltenen Rechtszustand herzustellen. Die Frist sei folglich für den Antragsteller, der schon damals Mitglied des Landtags gewesen sei, zu diesem Zeitpunkt in Lauf gesetzt worden.

Die beiden anderen Antragsteller, die erst in der folgenden Wahl in den Landtag gewählt worden seien, hätten sich nach Entstehen ihres Abgeordnetenstatus über ihren verfassungsrechtlichen Status vergewissern und binnen der Frist von sechs Monaten den Staatsgerichtshof anrufen müssen.

Der Beschluss des Landtags vom 26.07.2007, mit dem im Zusammenhang mit der Parlamentsreform eine verfassungskonforme Regelung zu den Funktionszulagen in Aussicht gestellt worden sei, habe die Frist nicht neu eröffnet. Denn diese Frist sei auch für die Beteiligten des streitigen Verfassungsrechtsverhältnisses nicht disponibel.

Die „Praxis der Gewährung zusätzlicher Entschädigungen an Abgeordnete auf der Grundlage des Fraktionsgesetzes“ könnten die Antragsteller nicht zum Gegen-stand einer gegen den Landtag gerichteten Organklage machen. Denn die fraglichen Zahlungen erfolgten aufgrund der autonomen Entscheidung der Fraktionen.

Für den Antrag zu den Regelungen des Abgeordnetengesetzes über die Indexierung der Abgeordnetenentschädigung und der Kostenpauschalen sei wiederum die Frist versäumt; denn die betreffenden Vorschriften über das Verfahren der Indexierung seien im genannten Gesetz abgesehen von rein redaktionellen Abweichungen unverändert geblieben.

Die Verfassungswidrigkeit der Steuerfreiheit der Kostenpauschale könnten die Antragsteller im Organstreit nicht geltend machen. Die Berufung auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG sei im Organstreit grundsätzlich nicht möglich. Der im Abgeordnetenstatus nach Art. 27 Abs. 3 LV wurzelnde Anspruch auf Gleichbehandlung, auch was die Entschädigung angeht, beziehe sich nur auf das Verhältnis der Abgeordneten untereinander. Schließlich sei der Antrag auch verfristet. Denn die fraglichen Bestimmungen im Abgeordnetengesetz seien bereits vor geraumer Zeit erlassen bzw. letztmals durch den Gesetzgeber geändert worden.

In der mündlichen Verhandlung haben die Antragsteller. einen neuen Antrag gestellt. Sie haben den Erlass des Haushaltsgesetzes 2009 angegriffen, soweit darin Mittel für die Fraktionen eingestellt werden. Diese Antragsänderung hat der Staatsgerichtshof nicht zugelassen, weil sie nicht sachdienlich ist. Den Antragstellern bleibt unbenommen, nach nochmaliger Prüfung gegebenenfalls einen neuen Antrag zu stellen.

Bei der Verkündung des Urteil wies der Präsident des Staatsgerichtshofs darauf hin, dass jedenfalls bei einer künftigen Regelung zu prüfen sei, in welchem Umfang dann noch Funktionszulagen zulässig sind und ob dies der je individuellen Handhabung der einzelnen Fraktionen überlassen werden kann. Möglicherweise verfassungsrechtlich geboten wäre dann eine transparente gesetzliche Regelung und eine deutliche Reduzierung des Kreises der in Betracht kommenden Funktionen.

Ergänzende Informationen


Die Leistungen an die Abgeordneten sind im Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtags (Abgeordnetengesetz) geregelt. Danach erhalten die Abgeordneten eine monatliche Entschädigung in Höhe von derzeit 4.991 EUR, der Präsident des Landtags erhält das Zweifache, seine Stellvertreter das Eineinhalbfache dieses Betrags. Hinzu kommt eine Aufwandsentschädigung, die sich aus einer Unkostenpauschale, einer Tagegeldpauschale und einer Reisekostenpauschale zusammensetzt. Die Entschädigung wird jeweils zum 1. Juli eines Jahres an die Einkommensentwicklung in Baden-Württemberg im vorangegangenen Jahr angepasst; die Anpassung richtet sich nach einer Messzahl, in die die Bruttoverdienste der privaten Wirtschaft und des öffentlichen Dienstes einfließen. Die Kostenpauschale wird in entsprechender Weise an die Preisentwicklung in den betreffenden Bereichen angepasst. Die Kostenpauschale ist nach § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei; eines Einzelnachweises der mandatsbedingten Aufwendungen bedarf es nicht.

Neben diesen Leistungen stehen Zahlungen, die die Fraktionen einzelnen Mitgliedern gewähren. Diese Zahlungen beruhen auf einer Bestimmung des Gesetzes über die Rechtsstellung und Finanzierung der Fraktionen im Landtag von Baden-Württemberg (Fraktionsgesetz). Danach ist die Zahlung einer besonderen, angemessenen Entschädigung an Mitglieder der Fraktion, denen besondere Funktionen übertragen werden, zulässig. Solche sogenannten Funktionszulagen erhalten neben den Fraktionsvorsitzenden zum Teil auch die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, Arbeitskreisvorsitzende und parlamentarische Geschäftsführer.

Die Antragsteller haben mit ihren Anträgen beanstandet, dass der Landtag auch mit der im April 2008 verabschiedeten Parlamentsreform die Regelungen, auf Grund deren die Funktionszulagen bezahlt werden, nicht an die vom Bundesverfassungsgerichts in einem Urteil vom Juli 2000 bestätigten strengen verfassungsrechtlichen Vorgaben angepasst habe; danach sei wegen des Gebots der Gleichheit der Abgeordneten eine zusätzliche Entschädigung nur für den Parlamentspräsidenten und seine Stellvertreter sowie die Fraktionsvorsitzenden zulässig. Mit der Indexierung der Diäten und Kostenpauschalen wird nach ihrer Auffassung die finanzielle Ausstattung der Abgeordneten in einem Verfahren festgesetzt, das sich der Kontrolle der Öffentlichkeit entziehe. Durch die automatische Erhöhung sei die Transparenz der Entschädigungshöhe nicht mehr gewährleistet. Die Steuerfreiheit der Aufwandsentschädigung verstoße gegen elementare Grundsätze des deutschen Steuerrechts und führe zu einer dem Gleichheitssatz widersprechenden ungerechtfertigten Privilegierung der Abgeordneten gegenüber den normalen Steuerzahlern.

Aktenzeichen GR 1/08

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