1 GR 52/23
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss der Kammer vom 17. Juli 2024 einen Antrag der AfD-Landtagsfraktion im Organstreitverfahren als unzulässig zurückgewiesen. Die AfD-Landtagsfraktion machte insbesondere geltend, durch die vom Landtag abgelehnte Wahl der von ihr als stellvertretende parlamentarische Mitglieder Baden-Württembergs im Oberrheinrat vorgeschlagenen Abgeordneten in ihren Rechten verletzt zu sein.
Sachverhalt
Der im Jahr 1997 gegründete Oberrheinrat stellt nach den in seiner Gründungsvereinbarung formulierten Zielen und Aufgaben ein grenzüberschreitendes Gremium zur politischen Beratung dar. Er besteht aus Repräsentanten der Bundesländer Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, der Region Elsass sowie der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Aargau, Solothurn und Jura. Der Oberrheinrat fasst Beschlüsse und Empfehlungen, die sich an die Oberrheinkonferenz, an die zuständigen nationalen, kantonalen und Landesregierungen und deren Stellen sowie an europäische, regionale, lokale und sonstige öffentliche Einrichtungen richten. Der aus 26 Mitgliedern bestehenden baden-württembergischen Delegation des Oberrheinrates gehören nach der Gründungsvereinbarung 16 Mitglieder des Landtags an. Für diese Mitglieder dürfen 16 stellvertretende parlamentarische Mitglieder benannt werden.
Bei der Benennung dieser stellvertretenden Mitglieder ging der Landtag entsprechend den Regelungen seiner Geschäftsordnung davon aus, dass jede im Landtag vertretene Fraktion eine ihrem Kräfteverhältnis entsprechende Zahl an Kandidaten vorschlagen kann. Die von der AfD-Landtagsfraktion vorgeschlagenen Kandidaten konnten in wiederholten Wahlgängen jedoch nicht die notwendige Mehrheit an Stimmen erreichen. Die entsprechenden Stellvertreterposten sind bisher noch unbesetzt.
Die AfD-Landtagsfraktion beanstandet mit ihrem Antrag die unterbliebene Wahl der von ihr als stellvertretende parlamentarische Mitglieder Baden-Württembergs im Oberrheinrat vorgeschlagene Kandidaten und die anschließende Berufung von Abgeordneten des Landtags als stellvertretende parlamentarische Mitglieder Baden-Württembergs im Oberrheinrat. Nach Auffassung der AfD-Landtagsfraktion wird insbesondere ihr Recht auf Gleichbehandlung der Fraktionen (Art. 27 Abs. 3 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg) beeinträchtigt.
Wesentliche Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs
Der Verfassungsgerichtshof hat die Anträge der AfD-Landtagsfraktion als unzulässig zurückgewiesen.
Hinsichtlich sämtlicher geltend gemachter Rechtsverletzungen durch die Landtagspräsidentin ist die AfD-Landtagsfraktion bereits deshalb nicht antragsbefugt, weil nicht dargelegt worden oder ersichtlich ist, durch welche Handlungen oder Unterlassungen der Landtagspräsidentin sie in ihren Rechten verletzt sein soll. Denn die Landtagspräsidentin hat im Verfahren zur Benennung der parlamentarischen Mitglieder im Oberrheinrat und von deren Vertretern keine mit ihrem Amt verbundenen besonderen Aufgaben oder Befugnisse. Insbesondere be- oder ernennt sie diese Mitglieder und ihre Vertreter nicht förmlich.
Soweit die AfD-Landtagsfraktion eine Verletzung ihrer Rechte durch den Landtag rügt, hat sie die geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht hinreichend dargelegt.
Dies gilt insbesondere für die geltend gemachte Verletzung des aus Art. 27 Abs. 3 LV hergeleiteten Grundsatzes der Gleichbehandlung der Fraktionen. Aus diesem Grundsatz leitet die AfD-Landtagsfraktion her, dass sie eine ihrem Kräfteverhältnis im Plenum entsprechende Zahl an Kandidaten als stellvertretende parlamentarische Mitglieder Baden-Württembergs im Oberrheinrat vorschlagen darf und die in der Geschäftsordnung des Landtags vorgesehene Wahl dann lediglich auf unterschiedliche Kandidaten ihrer Fraktion beschränkt ist oder sogar ein Benennungsrecht hinsichtlich der auf sie entfallenden Zahl an Kandidaten besteht.
Die AfD-Landtagsfraktion legt nicht in ausreichendem Umfang dar, warum eine derartige Einschränkung der freien Wahl durch den Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen gerechtfertigt sein soll. Sie geht nicht darauf ein, dass nach verfassungsrechtlicher Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen eine Einschränkung des Grundsatzes der freien Wahl in Bezug auf die Besetzung von Gremien insbesondere dann rechtfertigen kann, wenn durch das betreffende Gremium wesentliche Aufgaben des Parlaments wahrgenommen werden sollen. In diesem Zusammenhang fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der rechtlichen Stellung des Oberrheinrats sowie mit dessen Aufgaben und Arbeitsweise. Insbesondere damit, ob die stellvertretenden parlamentarischen Mitglieder Baden-Württembergs im Oberrheinrat Aufgaben des Landtags wahrnehmen und ob in diesem Gremium politische Willensbildung des Landtags stattfindet, setzt die AfD-Landtagsfraktion sich nicht auseinander.
Zitierte Rechtsvorschrift
Art. 27 Abs. 3 der Landesverfassung:
Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nicht an Aufträge und Weisungen gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.