Urteil über den kommunalrechtlichen Normenkontrollantrag der Städte Pfullendorf und Meßkirch betreffend die Genehmigungspflicht des Erwerbs land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke durch Gemeinden

1 GR 69/22

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat mit heute verkündetem Urteil den Normenkontrollantrag der Städte Pfullendorf und Meßkirch betreffend das Agrarstrukturverbesserungsgesetz (ASVG) als unzulässig zurückgewiesen. Dem Verfahren waren drei weitere Kommunen beigetreten.

 

Sachverhalt

Nach dem Agrarstrukturverbesserungsgesetz bedarf die Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks von mindestens einem Hektar Größe grundsätzlich der Genehmigung durch die Landwirtschaftsbehörde. Von diesem Genehmigungserfordernis sind Gemeinden gemäß § 4 Nr. 5 ASVG nur dann befreit, wenn ein Bauleitplan existiert, der für das betroffene Grundstück andere als land- oder forstwirtschaftliche Zwecke vorsieht. Wenn der Bund oder das Land als Vertragsteil an einer Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks beteiligt sind, ist dagegen keine Genehmigung erforderlich. Eine Genehmigung ist auch dann nicht erforderlich, wenn eine mit den Rechten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgestattete Religionsgemeinschaft ein Grundstück erwirbt, es sei denn, dass es sich um einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb handelt.

 

Die Antragstellerinnen beantragten festzustellen, dass § 4 Nr. 5 ASVG mit der Landesverfassung nicht vereinbar und deshalb nichtig ist. Sie sehen sich in ihrer verfassungsrechtlich verbürgten kommunalen Selbstverwaltung verletzt, weil der für eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung erforderliche Erwerb land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke durch das Genehmigungserfordernis für die Gemeinden unsachgerecht und unverhältnismäßig erschwert werde. Außerdem würden sie willkürlich schlechter behandelt als Bund, Land und Religionsgemeinschaften.

 

Wesentliche Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs

Der Verfassungsgerichtshof hat die Möglichkeit, dass die Gemeinden durch die angegriffene Norm in ihrer Selbstverwaltungshoheit verletzt werden könnten, verneint und den Antrag zurückgewiesen. Weder die verfassungsrechtliche Garantie zur finanziellen Ausstattung der Gemeinden noch die gemeindliche Organisationshoheit werden berührt. Zwar entstehen den Gemeinden infolge der nach dem Agrarstrukturverbesserungsgesetz erforderlichen Bauleitplanung möglicherweise höhere Kosten beim Erwerb land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke. Die Kommunen sind aber zum einen nicht verpflichtet, land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke zu erwerben. Zum anderen dürften sich diese Kosten bei der Nutzung der entsprechenden Grundstücke amortisieren. Jedenfalls ließ sich dem Vortrag der Antragstellerinnen nicht entnehmen, dass den Gemeinden infolge des Agrarstrukturverbesserungsgesetzes keine hinreichenden Mittel mehr zur Erfüllung ihrer gemeindlichen Aufgaben zur Verfügung stehen. Rechtliche oder tatsächliche Vorgaben in Bezug auf die interne Organisation der Gemeinden macht das Agrarstrukturverbesserungsgesetz nicht.

 

Auf den allgemeinen Gleichheitssatz können sich Gemeinden, als Teil der Staatsgewalt, nicht berufen. Die unterschiedliche Behandlung von Gemeinden einerseits sowie von Bund, Land und Religionsgemeinschaften andererseits in Bezug auf die Genehmigungsbedürftigkeit von Verfügungen über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke ist entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen auch nicht willkürlich. Der Gesetzgeber knüpft mit seiner differenzierenden Regelung an das Recht der Gemeinden, Bauleitpläne aufzustellen, an. Diese Möglichkeit steht allein den Gemeinden zu. Die unterschiedliche Behandlung der betreffenden Körperschaften im Anwendungsbereich des Agrarstrukturverbesserungsgesetzes ist daher nachvollziehbar. Ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung gewählt hat, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.

 

Rechtsvorschriften

§ 4 des Agrarstrukturverbesserungsgesetzes:

Eine Genehmigung ist nicht erforderlich, wenn

1. der Bund oder das Land als Vertragsteil an der Veräußerung beteiligt ist;

2. eine mit den Rechten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgestattete Religionsgemeinschaft ein Grundstück erwirbt, es sei denn, dass es sich um einen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb handelt;

3. …

4. …

5. eine Gemeinde oder ein Gemeindeverband an der Veräußerung beteiligt ist, das veräußerte Grundstück im Gebiet der beteiligten Gemeinde oder des beteiligten Gemeindeverbands liegt und durch einen Bauleitplan im Sinne von § 1 Abs. 2 BauGB nachgewiesen wird, dass das Grundstück für andere als die in § 1 bezeichneten Zwecke vorgesehen ist.

 

Art. 71 der Landesverfassung:

(1) Das Land gewährleistet den Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie den Zweckverbänden das Recht der Selbstverwaltung. Sie verwalten ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung. Das Gleiche gilt für sonstige öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten in den durch Gesetz gezogenen Grenzen.

 

Art. 73 der Landesverfassung:

(1) Das Land sorgt dafür, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände ihre Aufgaben erfüllen können.

 

Art. 76 der Landesverfassung:

Gemeinden und Gemeindeverbände können den Verfassungsgerichtshof mit der Behauptung anrufen, daß ein Gesetz die Vorschriften der Artikel 71 bis 75 verletze.