Pressemitteilung

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde gegen ein amtsgerichtlichen Beschluss in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren

Mit Urteil vom 13. April 2016 hat der Verfassungsgerichtshof einen Beschluss des Amtsgerichts E. aufgehoben, weil dieser das Grundrecht auf rechtliches Gehör verletzt.

 

Sachverhalt und Verfahrensgang

 

In dem Ausgangsverfahren wurde dem Beschwerdeführer vorgeworfen, sein Kraftfahrzeug auf einem Sonderparkplatz für Bewohner abgestellt zu haben, ohne dass ein besonderer Parkausweis ausgelegen habe. Der Beschwerdeführer stellt in Abrede, die hierzu ergangene schriftliche Anhörung der Stadt E. erhalten zu haben. Nach Ablauf der Verjährungsfrist erließ die Stadt E. am 10. März 2015 einen Kostenbescheid nach § 25a StVG gegen den Beschwerdeführer, mit dem ihm als Halter des betroffenen Fahrzeugs eine Gebühr in Höhe von 20,00 € zuzüglich Auslagen auferlegt wurde, weil die Feststellung des Führers des Kraftfahrzeugs nicht möglich gewesen sei. Daraufhin stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung und teilte mit, dass ihm kein Anhörungsbogen übersandt worden sei. Außerdem liege aus seiner Sicht kein Parkverstoß vor, weil ausweislich des maßgeblichen Verkehrsschildes das Parken nur in der Zeit zwischen 18 und 7 Uhr den Anwohnern vorbehalten gewesen sei, die Parkzeit aber zwischen 11.21 Uhr und 11.30 Uhr gelegen habe.

 

Das Amtsgericht E. hielt den Kostenbescheid mit dem angefochtenen Beschluss vom 27. April 2015 aufrecht. Da der Beschwerdeführer auf die Anhörung nicht reagiert habe, sei nach § 25a StVG zu verfahren gewesen. Auf die Einwendungen des Beschwerdeführers ging das Amtsgericht nicht ein.

 

Die gegen den Beschluss des Amtsgerichts E. vom 27. April 2015 gerichtete Verfassungsbeschwerde des Beschwerdeführers (1 VB 35/15) wies der Staatsgerichtshof mit Beschluss vom 21. Juli 2015 mangels Rechtswegerschöpfung zurück, weil der Beschwerdeführer keine Anhörungsrüge nach § 33a StPO eingelegt hatte.

 

Daraufhin beantragte der Beschwerdeführer unter dem 18. August 2015 vor dem Amtsgericht die Nachholung des rechtlichen Gehörs nach § 33a StPO. Mit einem am 13. Oktober 2015 „auf richterliche Weisung“ ergangenen Schreiben teilte das Amtsgericht mit, dass kein Rechtsmittel gegen den Kostenbescheid möglich sei.

 

 

Wesentliche Erwägungen des Verfassungsgerichtshofs

 

Der Verfassungsgerichtshof hält die daraufhin erneut eingelegte Verfassungsbeschwerde für zulässig.

 

Der Rechtsweg ist erschöpft. Der Antrag nach § 33a StPO war statthaft und wurde auch rechtzeitig gestellt. Die in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur zum Teil befürwortete Übertragung der Monatsfrist des § 56 Abs. 2 VerfGHG auf den nicht fristgebundenen fachgerichtlichen Rechtsbehelf lehnt der Verfassungsgerichtshof ab.

 

Dem Beschwerdeführer kann in der gegebenen besonderen Situation auch nicht entgegengehalten werden, dass er gegen die Mitteilung des Amtsgerichts vom 13. Oktober 2015 nicht das statthafte Rechtsmittel der Beschwerde nach § 304 StPO eingelegt hat. Die Pflicht, alle prozessualen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Grundrechtsverletzung zu beseitigen, besteht nur im Rahmen des Zumutbaren. Da das Amtsgericht dem Beschwerdeführer unmissverständlich verdeutlicht hat, dass aus seiner Sicht eine Anfechtbarkeit seines Beschlusses vom 27. April 2015 nicht gegeben sei, durfte der Beschwerdeführer sich auf diese Auskunft verlassen und ausnahmsweise unmittelbar den Verfassungsgerichtshof anrufen.

 

Die Verfassungsbeschwerde ist auch begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 2 Abs. 1 LV in Verbindung mit Art. 103 Abs. 1 GG. Auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags des Beschwerdeführers, er habe den Anhörungsbogen nicht erhalten und es liege auch kein Parkverstoß vor, geht der Beschluss nicht ein. Dies lässt unter den gegebenen Umständen darauf schließen, dass das Gericht das Vorbringen des Beschwerdeführers entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung nicht berücksichtigt hat. Nach der kurzen und formelhaften Begründung des angegriffenen Beschlusses ist nicht erkennbar, dass das Gericht den Vortrag des Beschwerdeführers für unerheblich oder unsubstantiiert gehalten haben könnte. Dies ist auch nicht naheliegend. Die mit dem Verfahren nach § 25a StVG verbundene Präklusion des Verteidigungsvorbringens ist nämlich nur dann mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör vereinbar, wenn der Betroffene nachweislich Gelegenheit erhalten hatte, sich zur Sache zu äußern, diese aber ungenutzt verstreichen ließ. Das war nach seinem Vortrag nicht der Fall. Hinzu kommt, dass Voraussetzung für die Kostenhaftung des Kraftfahrzeughalters nach § 25a Abs. 1 Satz 1 StVG ein objektiv feststehender Parkverstoß ist, welcher von dem Beschwerdeführer bestritten wurde. Mit diesen Fragen hätte sich das Amtsgericht auseinandersetzen müssen.

 

1 VB 83/15

 

http://verfgh.baden-wuerttemberg.de/de/entscheidungen/

// //