Pressemitteilung

Eilantrag des Abgeordneten Dr. Heinrich Fiechtner, MdL, gegen Sanktionen der AfD-Fraktion mangels Dringlichkeit abgelehnt

Der vom Mitglied des Landtags Dr. Fiechtner in einem Organstreitverfahren gestellte Eilantrag wurde vom Verfassungsgerichtshof am 2. August 2017 durch Beschluss als unbegründet zurückgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof wird über die Anträge, die sich gegen die Abberufung des Antragstellers aus zwei Landtagsausschüssen und ein Redeverbot für die Fraktion richten und die Verletzung des freien Mandats geltend machen, bereits im Oktober mündlich verhandeln und entscheiden. Der Erlass der vom Antragsteller begehrten einstweiligen Anordnung war wegen der Parlamentsferien und der in Kürze zu erwartenden Hauptsacheentscheidung nicht dringlich.

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg verhandelt über das Organstreitverfahren am

 

            Freitag, den 13. Oktober 2017, 10.45 Uhr

            im Sitzungssaal 1 des Oberlandesgerichts Stuttgart,

            Olgastr. 2, 70182 Stuttgart

 

Zum Sachverhalt:

Das Mitglied des Landtags Dr. Heinrich Fiechtner erhob am 22. Mai 2017 einen Antrag in einem Organstreitverfahren nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LV, verbunden mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Gegenstand des Organstreitverfahrens und des Eilantrags sind die Beschlüsse der hier antragsgegnerischen AfD-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2016 und 31. Januar 2017. Mit diesen Beschlüssen berief die Antragsgegnerin den Antragsteller aus dem Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus/NSU BW II“ und dem Innenausschuss ab, indem sie dem Landtag vorschlug, den Antragsteller als Ausschussmitglied abzuwählen, und erteilte ihm ein Redeverbot für die Fraktion im Plenum. Die Beschlüsse der Antragsgegnerin wurden insbesondere damit begründet, dass der Antragsteller in einer Landtagsdebatte zur Gesundheitskarte für Flüchtlinge eine von der Fraktion nicht geteilte Meinung vertreten habe beziehungsweise sich weigere, seinen parlamentarischen Mitarbeiter - wie von der Antragsgegnerin gefordert - zu entlassen. Die Maßnahmen seien erforderlich, um die Arbeitsfähigkeit der Fraktion zu erhalten. Der Antragsteller macht beim Verfassungsgerichtshof geltend, die angegriffenen Sanktionen verletzten ihn in seinem freien Mandat (Art. 27 Abs. 3 LV).

 

Zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den Eilantrag:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. August 2017 als unbegründet zurückgewiesen.

 

Nach § 25 Abs. 1 VerfGHG kann der Verfassungsgerichtshof, wenn es zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist, in einem anhängigen Verfahren einen Zustand durch vorläufige Anordnung regeln. Bei der Prüfung haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben.

 

Kein dringender Regelungsbedarf besteht, wenn nicht ersichtlich ist, dass die vom Antragsteller geltend gemachten Rechte ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung unmittelbar gefährdet wären. Für eine einstweilige Anordnung ist kein Raum, wenn der Verfassungsgerichtshof die Hauptsache so rechtzeitig zu entscheiden vermag, dass durch die Entscheidung die schweren Nachteile, denen die einstweilige Anordnung entgegenwirken soll, vermieden werden können.

 

Ausgehend von diesen Maßstäben besteht kein dringender Bedarf für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat sich darauf verständigt, über den Organstreit in der Hauptsache noch im Oktober 2017 mündlich zu verhandeln und zu entscheiden. Ergeht eine Entscheidung in diesem zeitlichen Rahmen, entstehen für den Antragsteller keine schweren Nachteile. Denn im Landtag finden vom 21. Juli bis 11. September 2017 grundsätzlich weder Plenar- noch Ausschusssitzungen statt. Die Wahrnehmung der Rechte des Antragstellers wäre, sollten sie durch die angegriffenen Maßnahmen der Antragsgegnerin verletzt werden, nur für einen vergleichsweise geringfügigen Zeitraum beeinträchtigt. Demgegenüber bedeutete es einen erheblichen Eingriff in eine kontinuierliche Ausschussarbeit, wenn der Landtag den Antragsteller allein für die bis zur Entscheidung in der Hauptsache stattfindenden Ausschusssitzungen vorübergehend in den Innenausschuss und den Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus/NSU BW II“ wählen müsste und andere Mitglieder der Antragsgegnerin ihren jeweiligen Platz in den Ausschüssen verlören.

 

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist am 22. Mai 2017 beim Verfassungsgerichtshof eingegangen. Er ist nach Anhörung der Prozessbeteiligten und nach dem Beschluss vom 3. Juli 2017 über einen Befangenheitsantrag erst jetzt entscheidungsreif. Überdies war nach der unwidersprochenen Mitteilung des Antragstellers vom 30. Juni 2017 beabsichtigt, ihn aus der antragsgegnerischen Fraktion auszuschließen, was sich auf das hier gegenständliche Verfahren ausgewirkt hätte. Am 19. Juli 2017 wurde über die Medien bekannt, dass durch Beschluss der Antragsgegnerin vom 18. Juli 2017 die für den 20. Juli 2017 geplante Abstimmung über den Fraktionsausschluss des Antragstellers abgesagt worden sei.

 

1 GR 35/17

http://verfgh.baden-wuerttemberg.de/de/entscheidungen/

// //